Angeregt durch einen Trailer sah ich mir vor ein paar Jahren den Film „Kill Your Darlings“ an. Mir war bewusst, dass es sich bei den handelnden Personen um real existierende Schriftsteller der Beat Generation handelte, dann erschöpfte sich mein Wissen bereits. Zum Glück, denn so konnte ich die sich entfaltende Geschichte genießen und war nicht damit beschäftigt „historische Fehler“ zu suchen. Ein paar Ausschmückungen müssen in einer Verfilmung meiner Meinung nach aber auch gestattet sein, denn die tatsächlichen Ereignisse sind vermutlich nur halb so spannend.

Ich fand den Film sehr faszinierend und er hallte lange ihn mir nach. So war es nicht weiter verwunderlich, dass ich bald beschloss, meine Wissenslücke über die Beat Generation zu verkleinern. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Werke von Allen Ginsberg, Jack Kerouac und William S. Burroughs noch nicht gelesen habe, aber ihre Biographien sind außergewöhnlich und inspirierend (bis auf die Drogenexzesse und den Alkoholismus, das ist dann doch nicht meins). Mein besonderes Interesse galt Lucien Carr, den im Film eine elektrisierende Aura umgibt und dessen Charakter nur schwer greifbar ist. Ich war erstaunt zu lesen, dass er nach den umtriebigen Jahren an der Universität ein sehr ruhiges und zurückgezogenes Leben als Redakteur von United Press International führte. Andererseits ist es vielleicht gar nicht so erstaunlich, dass er junge Menschen zum Schreiben anstachelte, denn schließlich ließen sich auch die Autoren der Beat Generation von ihm anregen. Eine seiner bekanntesten Aussagen zur Motivation der von ihm betreuten Journalisten war:

Why don’t you just start with the second paragraph?
(Warum fängst du nicht einfach mit dem zweiten Absatz an?)

Als ich dieses Zitat las, habe ich es sofort in mein Notizbuch übernommen. Ich konnte nicht genau sagen wieso, aber es ließ eine Saite in mir wiederklingen. Über einen Ozean und Jahrzehnte hinweg hatte ich das Gefühl, Lucien Carr würde mit mir reden. Würde in mir denselben Motor starten, der schon die Beat Generation angetrieben hatte. Sein Ratschlag wirkt übrigens erstaunlich gut, denn manchmal schreibt sich das zweite Kapitel tatsächlich einfacher als das erste, der übernächste Absatz fließt besser von der Hand als der vorangehende. Und möglicherweise habe ich diesen Blogeintrag vor dem ersten geschrieben. Aber nur möglicherweise.