Regenbögen

Wer schon einmal auf Reisen in Irland war, wird vielleicht so wie wir festgestellt haben, dass man auf der grünen Insel sehr viele Regenbögen sehen kann. Schließlich regnet es ja auch fast jeden Tag und seien es nur ein paar Tropfen. Als wir die Einheimischen auf die leuchtenden Bögen am Himmel hingewiesen haben, wurde oft nur mit den Schultern gezuckt, so als wollten sie sagen: „Ach, so ein Ding! Ich schaue schon gar nicht mehr hin. Sowas gibt es hier ständig.“ Für mich, die ich jeden einzelnen Regenbogen faszinierend fand, war diese Reaktion unverständlich.

Meine Faszination begründet sich dabei nicht auf mangelndes Wissen um die Entstehung eines Regenbogens. Dank des Physikunterrichts und eines Papas, der seinen neugierigen Kindern mit Begeisterung die Welt erklärt hat, weiß ich von Prismen, Lichtbrechung und Wellenlängen. (Ein Detail, das ich erst spät lernte, ist der Fakt, das Regenbögen eigentlich vollständige Kreise sind, wir aber nur einen Teil davon sehen können.) Was mich begeistert ist vielmehr die bezaubernde Schönheit dieser Himmelserscheinung, die gerade aufgrund ihrer Einfachheit ihre Wirkung entfaltet. Die ganze Breite des Lichtspektrums gepackt in einen schmalen, gebogenen Streifen, der von innen heraus zu leuchten scheint.

Bild von einem Regenbogen und Häusern vor einer Küste

Wie kann man diesen bunten Lichtbogen nicht toll finden? Sollte das Aufglühen von Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett nicht jeden zum Lächeln bringen? Es mag sein, dass so ein waschechter Ire schon sehr viele Regenbögen gesehen hat, das heißt nicht dass sie an Leuchtkraft oder Farbintensität verlieren. Ich hoffe, dass ich nie so alt oder abgebrüht werde, dass mich das Auftreten eines Regenbogens nicht mehr berührt. Selbst dann nicht, wenn ich doch noch nach Irland ziehe und jeden Tag mindestens ein Mal ein solches Lichtspiel beobachten kann.

Gestern Abend habe ich übrigens ein sehr prächtiges Exemplar über meiner Heimatstadt erblicken können. Ich befand mich auf dem Heimweg, das Moped brummelte unter mir, die Straße bog nach Osten ab. In halber Höhe über dem Dresdener Tal glühte ein Streifen Licht in den wohlbekannt „sortierten“ Farben des Regenbogens. An einer günstigen Stelle hielt ich an, um den Anblick in vollen Zügen zu genießen. Einige Autofahrer passierten mich und sahen mich prüfend an, doch niemand schien den Grund für mein Halten zu bemerken. Nun könnte der geneigte Leser sehr wohl einwerfen, dass diese Verkehrsteilnehmer ihre Augen besser auf der Straße lassen sollten. Aber was war dann mit diesem jungen Kerl da drüben an der Bushaltestelle? Der hätte ja nun wirklich Zeit gehabt, sich den Himmel anzusehen, während er wartete. Stattdessen scrollte er auf seinem Handy durch irgendwelche Dinge und verpasste alles. Das Strahlen, die Farben, das Staunen, die Begeisterung. Das Gefühl, für einen kleinen Moment in Irland zu sein.