Gewitter

Schon als Kind habe ich es geliebt, wenn über den dunklen Himmel grelle Blitze zuckten, die ihre glühenden Spuren auf der Netzhaut hinterließen. Ihnen folgte kurz darauf ein unheimliches Krachen und Grummeln, manchmal wie ein einziger Paukenschlag und manchmal wie ein ganzes Trommelsolo. Wenn möglich, habe ich dann am Fenster gesessen und meine Augen und Ohren aufgerissen, um nichts von dem Spektakel zu verpassen. Falls das Gewitter zur Schlafenszeit begann, habe ich im Bett gelegen und nach dem Aufleuchten der Gardine die Sekunden bis zum Erschallen des Donners gezählt. Übrigens eine Beschäftigung, bei der man ganz wunderbar einschlafen kann. Ja, ich weiß, angeblich haben Kinder Angst vor Gewitter und können dann nicht schlafen, aber ich fand es immer herrlich entspannend.

gemaltes Bild eines Blitzes

Meine Begeisterung für das Naturschauspiel hat sich auch mit dem Älterwerden nicht gelegt. Und so erinnere ich mich lebhaft an einen Sommerabend, an dem wir mit unserem eigenen faradayschen Käfig (also einem Auto) auf eine Anhöhe gefahren waren, um das Gewitter fünf Kilometer entfernt zu beobachten. Das war das erste Mal, dass ich lilafarbene Blitze sah. Noch faszinierender sieht der Ausgleich elektrostatischer Aufladungen aus, wenn man ihn vom Fenster eines Flugzeugs aus betrachtet. Der Pilot hatte keine andere Wahl als uns zwischen mehreren mächtigen Cumulonimbus hindurch zu steuern, um nicht einen riesigen Umweg zum Ziel zu fliegen. Unzählige orangefarbene Lichtbögen rasten an den Seiten der stahlfarbenen Gewitterwolke entlang oder brachten das Ungetüm von innen zum Leuchten. Ein beeindruckender und lange nachwirkender Anblick. Mein Reisegefährte stieg mit zittrigen Knien aus dem Flieger, ich mit einem riesigen Lächeln.

Heute nutze ich gern die entspannenden Qualitäten eines Gewitters, indem ich meine Arbeitsumgebung mit den Geräuschen eines Regenschauers mit Donnergrollen ausfülle, die ich in einer Audiodatei gespeichert habe (siehe auch hier). Nicht nur hilft das meiner Konzentration sondern auch meinem Wohlbefinden. Ein heißer Sommertag fühlt sich gleich ein paar Grade kälter an, wenn ich dem Rauschen des Regens lausche. Alles nur Einbildung, ich weiß. Mir macht es dennoch Freude. An einigen Abenden starte ich die Audiodatei sogar, wenn ich im Bett liege und einschlafen möchte, damit mich das sanfte Plätschern und Grummeln in den Schlaf wiegt. Übrigens bin ich bisher nur ein einziges Mal aufgrund eines Gewitters aufgewacht. Ein einzelner Donnerschlag war so laut, dass er mich fast aus dem Bett warf. Vermutlich war der zugehörige Blitz in unmittelbarer Nähe eingeschlagen.

Falls du dich jetzt dazu angeregt fühlst, das nächste Gewitter mit Begeisterung statt mit Argwohn zu betrachten, dann hast du Glück: Für die nächsten Tage sind Gewitter angesagt! Ich freue mich schon auf die Lichtshow und danach das selige Schlummern bei fernem Donnergrollen.