Besuch vom Griesgram

Es ist mal wieder Januar. Vermutlich wäre es angebracht, für diesen Blog einen Eintrag zu schreiben, der sich mit dem Beginn des neuen Jahres befasst. Ihr wisst schon, irgendetwas Cleveres über die Jahreszahl oder das Fassen guter Vorsätze. Aber ich habe keine Lust dazu. Ich sitze lieber hier in meiner Ecke und muffele vor mich hin. Die ganze Aufregung um den Jahreswechsel geht mir nämlich gehörig auf den Keks! Hoffentlich ist der Januar bald weit genug fortgeschritten, dass ich nicht mehr jedem, dem ich begegne, ein Gesundes Neues Jahr wünschen muss. Ich kann doch nicht die einzige sein, der das auf die Nerven fällt, oder?

Abbildung eines grünen Sessels in einer Ecke, darauf eine Decke und ein Teddybär

Bin ich auch nicht. Wie immer ist kurz nach Weihnachten mein innerer Griesgram Gregor aufgetaucht und hat es sich bei mir gemütlich gemacht. Er hört das Wort Silvester und schon steht er mit einem Koffer gepackt für drei Wochen vor meiner Tür. Brummelnd meckert Gregor über all die Aktivitäten, die traditionell mit dem Jahreswechsel einhergehen. Missbilligend sieht er all diejenigen an, die ihm einen Guten Rutsch wünschen und presst die Lippen aufeinander. Wehe, ihm entwischt auch nur eine Silbe des Wohlwollens! Die Einladung zum Karpfenessen würde Gregor gern ausschlagen, denn es schmeckt ihm nicht. Auf eine andere Party will er aber auch nicht gehen, egal was es zu essen gibt, denn dann müsste der Griesgram ja Zeit mit anderen Menschen verbringen. Menschen, die feiern und lachen und versuchen, ihre Zukunft aus gegossenem Blei zu ermitteln. Und bleibt ihm ja fern mit Glückskeksen, die wirft Gregor euch um die Ohren! Wenn der Trubel um Mitternacht seinen Höhepunkt erreicht, sitzt der Griesgram mit verkniffener Miene und Watte in den Ohren im tiefsten und dunkelsten Keller und hofft auf ein baldiges Ende der sinnlosen Knallerei. Am nächsten Morgen kommt er gar nicht erst aus dem Bett. Warum auch? Draußen wollen die Leute ihm ein Gesundes Neues wünschen und ihn nach seinen guten Vorsätzen fragen. Bah! Humbug!* Ungünstigerweise bleiben diese Nettigkeiten nicht auf den ersten Januar beschränkt und so wickelt sich Gregor fest in seine Kuscheldecke ein. Auf keinen Fall will er rausgehen. Es vergehen meist ein bis zwei Wochen, bis ich den Griesgram davon überzeugen kann, dass das Schlimmste vorbei ist und er wieder ausziehen kann.

Dieses Jahr ist Gregor besonders schlechtgelaunt und ich kann es ihm nicht einmal verübeln. Unser Hauptärgernis sind die vielen Böller und lauten Feuerwerkskörper, die einem nicht nur den Schlaf rauben (nachts halb drei bei geschlossenen Fenstern/Jalousien hatten wir immer noch über 70 Dezibel im Schlafzimmer!) sondern auch die Straßen verschmutzen. Man sollte doch meinen, dass man die blöde Feuerwerksbatterie, die man aus seiner Wohnung hinausgetragen hat, auch wieder zurück tragen kann. Oder wenigstens bis in die Mülltonne. Aber nein, die Leute lassen einfach alles stehen und liegen! Schrecklich! Verbieten sollte man dieses Zeug! Ich glaube, viele Mitarbeiter in den Notaufnahmen von Krankenhäusern, die sich alljährlich um hässliche Verbrennungen und abgerissene Finger kümmern müssen, würden Gregor und mir zustimmen.

Langsam verschwinden die durchgeweichten Papphaufen wieder – Danke an die fleißige Straßenreinigung! – und auch das Gesundes-Neues-Wünschen nimmt ab. Ich denke, bald wird der Griesgram seine Sachen zusammen packen. Aber noch ist er hier und so sitzen wir eben gemeinsam in unserer Ecke und muffeln.

* – Das sagt Ebenezer Scrooge in Bezug auf Weihnachten. Ob es wie in Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte wohl auch drei Geister gibt, die den Griesgram davon überzeugen könnten, dass Silvester etwas ganz Wunderbares ist? Ich glaube eher nicht.