Die Rasenmäherverschwörung

Ein heißer Tag im Juli. Heute habe ich keine Lust, an einem Schreibtisch zu sitzen und darauf zu warten, dass meine Unterarme an der Tischplatte ankleben. Daher bin ich zu unserer Wiese gefahren und habe meinen Arbeitsplatz unter den Walnussbaum verlegt. Es ist wunderbar schattig hier und die Klimaanlage läuft. Ganz natürlich und ohne Strom, denn an diesem Flecken der Welt ist es wie mir scheint nie windstill. Stets ist die Luft in Bewegung und gibt dem Tag etwas Frisches und Kühles. Oft lege ich mir eine Decke um die Körpermitte, damit die Nieren nicht auskühlen. Doch ja, hier kann man es aushalten. Das finden auch die Ameisen, die neugierig über den Tisch und die Tastatur meines Laptops krabbeln. Die Vögel zwitschern, ein Schmetterling flattert vorbei, der Buntspecht kraxelt am Futterhaus herum. Gibt es einen schöneren Ort?

Abbildung eines gelben Rasenmähers vor einer ungemähten Wiese

Und dann beschließt der Nachbar, dass er seinen Rasen mähen muss. Ich behaupte, dass das bei dieser Hitze gar nicht gut ist für die Grünfläche, aber das hält ihn nicht ab. In scheinbarem Schneckentempo schiebt er den laut knatternden Apparat von einer Seite zur anderen und wieder zurück. Rumpel, ratter, puff! Eine Sonnenbrille habe ich und Socken, falls es doch zu frisch an den Zehen wird, aber Ohrenschützer habe ich keine. Und so legt sich meine Stirn in Falten ob der nervenden Lärmerei. Wie groß kann so ein Rasen eigentlich sein? Stundenlang geht das so. Hin und her und hin und her. Ab und zu wird der Behälter geleert, dann ist es selige drei Minuten ruhig, doch schon wird weiter geraspelt. Ratter, knatter, knarz! So langsam wünsche ich mich an meinen Schreibtisch zu Hause zurück. Ist er denn nicht bald mal fertig? Ich kann leider nicht sehen, wie groß die verbleibende Fläche ist und so heißt es Geduld haben. Endlich! Endlich ist der Rasen totgemäht und ich kann wieder den Wind in den Zweigen über mir hören. Das Trillern kleiner Vögel und das Schreien des großen Greifvogels weit oben am Himmel gesellen sich dazu. Im Feld nebenan zirpen die Grillen. Hach. Schön.

Und der nächste Nachbar wirft den Rasenmäher an. Krach, polter, rumpel! Ich bin versucht, meine Stirn wiederholt auf die Tischplatte zu schlagen. Das kann doch jetzt nicht wirklich euer Ernst sein, oder? Habt ihr euch miteinander abgesprochen? Gibt es irgendwo einen geheimen Plan, der dafür sorgt, dass das Knattern der Rasenmäher nie verstummt? Erst wenn der eine fertig ist, darf der nächste weiter lärmen. Gleichzeitige Belästigung ist nicht erlaubt, denn Dauerlärm ist besser. Es ist eine Verschwörung, ich sage es euch! Ich würde ja gern glauben, dass sie sich alle einen Rasenmäher teilen – das wäre ja sogar fast sinnvoll! – aber nein, der hier klingt tiefer und stotternder. Und rumpelt mir durchs Hirn und raubt mir die Nerven! Ich kann auch diesmal nicht sehen, wie groß die malträtierte Fläche ist. Vielleicht dauert es ja nur eine Viertelstunde? Plonk, knatter, knorps! Ich schreibe mir lärmunterdrückende Kopfhörer auf den Wunschzettel. Dann höre ich zwar auch die Natur nicht mehr, aber dafür kann ich vielleicht wieder denken. Es war doch vorhin noch so schön hier!

Drei Gartengrundstücke weiter links wird der nächste Rasenmäher angeschmissen…