In Zeiten fehlender sozialer Kontakte suchen die meisten nach einer Beschäftigung, die sie alleine ausführen können. An dieser Stelle zwängt sich einem das Spiel Solitär geradezu auf, schließlich zeigt ja der Name bereits an, dass es für einen Spieler geeignet ist. Statt kleine Holzfiguren übereinander hüpfen zu lassen, stelle ich mir aber lieber vor, wie die Menschen ihre verloren geglaubten Hobbies aus dem Keller und tief im Schrank verschwundenen Kisten hervorholen. Hier ein paar Ergebnisse dieser Gedankenspiele:

• Wie ging das nochmal mit dem Stricken? Bei Tante Erna sah das immer so leicht aus. Der Maschenanschlag fällt dir gerade so wieder ein, aber deine linken Maschen sehen seltsam schräg aus. Mühsam und mit vorgeschobener Zungenspitze arbeitest du dich durch das Strickmuster. Wenn dieses altbackene Heft nur diesen Raglan-Pullover nicht so umständlich erklären würde! Das versteht doch kein Mensch!
• Da war doch dieses eine dicke Buch, das du schon so lange mal lesen wolltest. Im Urlaub oder so. Wenn du wirklich mal viel Zeit hast. Aber dann gibt es im Urlaub immer so viele andere Sachen zu tun. Wäre jetzt nicht der ideale Zeitpunkt, sich an den Wälzer heran zu wagen? Beim Blättern durch die ersten Seiten fällt dir ein, dass es eine Verfilmung dazu gibt. Begeistert holst du dir eine Packung Chips und während du zu mampfen beginnst, durchsuchst du den Streamingdienst nach dem Film.
• Eine unbenutzte Leinwand hast du hinter den Fotos von Utes Hochzeit finden können und sorgfältig abgestaubt. Leider musst du nun feststellen, dass die Tuben mit Acrylfarbe eingetrocknet sind. Und deine Pinsel haben auch schon bessere Zeiten gesehen. Zum Glück kannst du den Wasserfarbkasten samt Pinseln deines Sohnes stiebitzen und nun malst du fröhlich drauf los.
• Auf der Werkbank hat sich eine beträchtliche Staubschicht gebildet und über den Schraubenkästen zählst du mehr als sieben Spinnennetze. Am Tatendrang dieser Tiere könnten sich einige eine Scheibe abschneiden! Mit einem kräftigen Schlag in die Hände beginnst du mit dem Aufräumen. Schließlich willst du heute mindestens eines der Regale bauen, die auf dem Balkon die neuen Blumentöpfe aufbewahren sollen. Im einfallenden Sonnenlicht tanzen die Partikel, die du mit dem Putzlappen aufwirbelst.
• Irgendwie hast du dir das mit dem Basteln einfacher vorgestellt. Beim letzten Mal hast du jedoch die bunten Papiere zu hastig in die Schublade gestopft und nun sind überall so unschöne Knicke. Außerdem geht die Tube mit dem Kleber nicht mehr auf. Da fällt dir ein, dass man für Origami keinen Leim benötigt und die ganzen Knicke bestimmt schön in den Faltungen verschwinden werden. Hat dir deine Schwester nicht mal ein Buch zu diesem Thema geschenkt? Hastig stehst du auf und gehst auf die Suche.
• Da ist sie ja, die CD mit der Vollversion von AMAZING DRAGONS 3, die dir dein guter Kumpel Sven geschenkt hat. Bisher hast du sie nicht mal ausgepackt. Aber jetzt willst du dich herausfordern! Wie lange wirst du brauchen, bis du es komplett durchgespielt hast? Du reißt die Packung auf, steckst die silberne Scheibe ins Laufwerk und startest das Spiel. Keine drei Minuten später stellst du fest, dass du eine schnellere Grafikkarte brauchst. Das hast du eigentlich schon vor sieben Monaten gewusst, deswegen hast du das Spiel ja beiseitegelegt.

Ob ich mich in einer dieser Beschreibungen wiederfinden kann? Nicht so richtig, denn ich räume zurzeit meinen Schreibtisch auf. Ja, genau. Den Stapel mit den alten Kassenbons in den Papierkorb werfen. Die Kaffeetasse von vorgestern in die Küche tragen. Dokumente sortieren und einordnen. Feststellen, dass sage und schreibe vier offene Packungen Taschentücher herumliegen. Stifte anspitzen und in den Becher stellen. Geschenkband aufrollen und in einer Schublade verstauen. Die Tüte mit den verklebten Bonbons entsorgen. etc. Was das alles mit meinen Hobbies zu tun hat? Ganz einfach: Ich brauche Platz zum Malen!

Ach übrigens, so schlecht ist Solitär nun auch wieder nicht.