Neunfingerschreibsystem

Ich fürchte, ich habe heute mal wieder zu lange vor meinem Computer gesessen und getippt. Ständig passieren mir kleine Fehler, die Tastatur hat eine Macke und die Buchstaben scheinen vor meinen Augen zu tanzen. Eins, zwo, Cha-Cha-Cha.

Wie so üblich, wenn ich nur noch Blödsinn tippe und mir nichts Sinnvolles mehr einfällt, schweifen meine Gedanken zu eigentlich irrelevanten Dingen ab. Schau mal, bunte Blätter! Wie lange dauert es, bis sich aus einem gepflegten englischen Rasen eine fröhliche Blumenwiese entwickelt hat? Ich könnte mal wieder Wäsche waschen, die Sockenschublade ist fast leer. Was gibt es heute zum Abendessen? Lust zu kochen habe ich ja nicht gerade. Hm. Lustig, dieser Rhythmus, den meine Finger da auf die Tasten trommeln. Klick-klick-klick. Klicke-di-klick.

Abbildung eines Stickbildes von einer Schreibmaschine mit einem Blatt Papier im Einzug

Da fällt mir ein, warum nennt man es eigentlich Zehnfingerschreibsystem? Genau genommen nimmt man neun Finger zum Tippen. Der Daumen bedient nur die Leertaste und soweit mir bekannt, hat sich jeder für einen seiner beiden Daumen entschieden. Also ist es eigentlich ein Neunfingerschreibsystem. (Ausnahmen bestätigen die Regel.)

Habe ich je erwähnt, dass ich das Neunfingerschreibsystem nie so recht erlernt habe? Irgendwann hatten meine Eltern auf dem heimischen PC ein Programm, das einem genau dieses Tippen beibringen wollte. Pro Übung ein Buchstabe und dann pro Tag eine Übung. Über asdf und jkl bin ich aber nie hinausgekommen, denn die kostenlose Testversion des Programms war schnell abgelaufen. Den Rest der Tasten – also den viel größeren Teil! – habe ich mir irgendwie selbst beigebracht. Was dazu geführt hat, dass ein Profi im Maschinenschreiben vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde, wenn er mich tippen sähe.

Mein rechter Zeigefinger ist ein wahrer Zauberkünstler. Wie wild fliegt er über die Tastatur und betätigt auch jene Buchstaben, die eigentlich dem linken Zeigefinger zugeordnet werden. Oft erwische ich deswegen das u statt das i, denn meine Hand schwebt viel zu weit links herum. Zum Ausgleich klebt meine linke Hand förmlich an der Oberfläche. Irgendwie muss man den Laptop ja auf den Knien festhalten, richtig? Außerdem habe ich so immer die Umschalttaste in der Nähe meines linken kleinen Fingers, der diese Aufgabe vor vielen Jahren erfolgreich übernommen hat. Vorher nutzte ich die rechte Umschalttaste, aber dann lief Milch über die Tastatur… und… naja.

In Geschäften sehe ich manchmal sogenannte ergonomische Tastaturen, die die Buchstaben in zwei Felder aufgeteilt haben, die schräg zueinander liegen, damit die Handgelenke eine schonendere Position einnehmen können. Hübsch, aber mit so etwas könnte ich nicht arbeiten. Ich habe mir beim Tippen zu viele Eigenheiten über die Jahre angewöhnt.

Da sitze ich also und philosophiere über das Neunfingerschreibsystem. Sehr produktiv. Ob ein Maler auch solche Probleme hat? Ob er wohl vor seiner Staffelei hockt und darüber nachdenkt, wie er seinen Pinsel und die Palette hält? Wie absolut wichtig es ist, dass die Farbtuben ordentlich zugeschraubt werden? Und warum er gern mit mindestens fünf Wassergläsern arbeitet?

Apropos, meine Kaffeetasse ist leer. Und wenn ich einmal in die Küche gehe, hole ich mir auch gleich noch einen Keks oder zwei! Vielleicht schaffe ich es sogar bis ins Badezimmer und starte eine Sockenwäsche, während der Wasserkocher läuft. Ob das mit dem Arbeiten heute noch was wird?