Novembermorgen

Fensterscheibe mit Regentropfen, Häuser im Hintergrund

Es ist matschig und grau da draußen. Nur langsam hebt sich der tonnenschwere Kopf vom Kissen. Deine verklebten Augen öffnen sich einen Spalt, erblicken die Trübheit und schließen sich schnell wieder. Die Schwerkraft zieht den Kopf zurück auf seine Lagerstatt. Deine Finger ziehen die Decke bis zu den Haarspitzen hinauf. Wenn du jetzt ruhig liegen bleibst und dich nicht bewegst, musst du das Elend nicht sehen. Du überlegst, dich vom Fenster abzuwenden, entscheidest dich dann aber gegen diesen monumentalen Kraftakt. Dummerweise hast du auf die Schlummertaste deines Weckers gedrückt und nun plärrt dieser Meckerkasten schon wieder los. Die Hand tastet verzweifelt in der Luft herum, bis die Finger den erlösenden Knopf finden und endlich Ruhe herrscht. Ganz unmöglich, dass es schon Zeit zum Aufstehen ist, es ist doch viel zu dunkel! Und irgendwie so stickig. Ach nein, das ist die Decke, die immer noch über deinem Kopf liegt. Mühsam schiebst du die Lage aus extradicken Daunen beiseite und wagst noch einmal einen Blick. Es ist matschig und grau da draußen. Angewidert drehst du dich zur Seite. Es kann doch keiner ernsthaft erwarten, dass du bei so einem Wetter aus deiner warmen Höhle kriechst! In der Nähe deines rechten Knies zieht es kalt herein. Mit so wenig Aufwand wie möglich versuchst du, die Decke zurecht zu schubsen. Das Loch am Knie ist gestopft. Seufzend lässt du dich ins Kissen sinken, da meldet der linke Fuß plötzlichen Temperaturabfall. Du strampelst mit den Beinen und denkst sehnsüchtig an den kuschelweichen Schlafsack aus Fleece, den du schon lange mal kaufen wolltest. Endlich ist dir nicht mehr kalt, dafür bist du nun wach. Oder zumindest in einem Zustand, in dem du dich daran erinnern kannst, dass dein Chef dich auf Arbeit erwartet. Wieder einmal beneidest du die Braunbären um ihren Winterschlaf. Warum sind wir Menschen eigentlich so dumm und gehen bei so einem Mistwetter raus? Selbst die sogenannten fleißigen Bienen verlassen ihren Stock nicht, wenn es kälter als zwölf Grad ist. Und heute zeigt das Thermometer bestimmt nicht mal drei Grad! Es ist matschig und grau da draußen. Gestern hat es auf dem Nachhauseweg geregnet und der Wind schob dir die fiesen Tropfen in den Mantelkragen. Was ist, wenn es heute wieder nass wird? Oder schlimmer, wenn es schneit? Dein Bett scheint dir der einzig sichere Platz auf dem Planeten zu sein. Auf keinen Fall solltest du das Risiko eingehen, seine schützenden warmen Arme zu verlassen. Eine Stimme in deinem Kopf flüstert, dass um neun Uhr eine Besprechung stattfinden soll. Du ergibst dich deinem Schicksal und reibst dir den Schlaf aus den Augen. Mühsam pellst du dich aus der Daunendecke, allerdings lässt du die Füße lieber noch bedeckt. Du musst es ja nicht übertreiben. Die Kälte greift mit ihren gierigen Fingern nach dir und du erschauderst. Ob du wohl noch genug Zeit für einen Kaffee hast? Das magische Getränk könnte dich von innen wärmen, wenn du den Schritt in die düstere Außenwelt wagst. Unter Ächzen schiebst du deinen Oberkörper nach oben und wunderst dich, dass dir vor Anstrengung nicht schwindlig wird. Mutig ziehst du die Füße unter der Decke hervor und lässt sie vor dem Bett nach unten sinken. Der Fußboden ist noch viel kälter, als du gedacht hast. Wackelig stehst du auf, obwohl dir das wie Irrsinn erscheint. Du schleichst auf Zehenspitzen zum Fenster und lugst durch eine Lücke im Vorhang. Es ist matschig und grau da draußen.