Unter dem Walnussbaum
Ein gemütlicher Tag im Spätsommer. Es ist nicht mehr erstickend heiß, aber auch noch nicht so kühl, dass man schon eine Jacke anziehen müsste. Die Sonne zieht über einen Himmel mit frisch aufgeplusterten Wolkenkissen. Den Laptop auf den Oberschenkeln sitze ich unter dem Walnussbaum auf unserer Wiese und tippe diese Worte. Auf dem Tisch vor mir steht ein Malzkaffee und irgendwo gäbe es bestimmt ein paar Kekse dazu, doch ich bin zu faul um aufzustehen und nachzusehen.
Dieser Ort hier ist einer meiner Lieblingsplätze auf unserem wunderbaren Planeten. Über mir der Baum, der mit seinen kräftig grünen Blättern, die erstaunlich groß werden können, einen herrlich erquickenden Schatten wirft. Unter mir die Wiese, die mit ihren kleinen Blüten von Klee und mir unbekannten Blumen eine Vielzahl von Insekten anlockt. Neben mir das kürzlich umgeackerte Feld, über das wie jeden Tag eine mehr oder minder starke Brise weht. Hier lässt es sich wirklich prima sitzen und den Augenblick genießen. Das wissen auch unsere Gäste, die wir den Sommer über unter dem Walnussbaum bewirten. Schon so mancher leckere Kuchen wurde hier verspeist.
Doch auch zum Arbeiten ist dieser Ort ganz gut geeignet. Gern sitze ich hier, so wie jetzt, und schreibe ein Kapitel meines Buches oder feile an einer Geschichte. Bei der Suche nach dem passenden Wort kann ich in die Weite blicken und muss nicht auf öde Wände starren. Wenn ich eine Pause brauche, gehe ich einfach eine Runde über das Gras und beobachte die Ameisen oder Schmetterlinge. Und auch wenn hier meistens nicht mehr passiert, als dass des Nachbars Katze auf Streifzug vorbei kommt, so gibt es doch genügend kleine Dinge, die für mich inspirierend wirken.
Apropos, ruhig ist es unter dem Walnussbaum beileibe nicht. Es gibt zwar keine klingelnden Telefone, dafür laufen an sonnigen Tagen öfter mal die Rasenmäher in der Umgebung. Aber auch ohne das Rattern der Motoren gibt es viel zu erlauschen. Die Spatzen am Futterhaus, das wir stets gefüllt halten, zwitschern aufgeregt. Auf der nicht allzu fernen Landstraße jagt ein Motorrad durch die Kurven. Eine aufbrausende Windböe raschelt in den ungezählten Blättern. Ein Flugzeug im Landeanflug auf den Flughafen übertönt für einen Moment alle anderen Geräusche. Weit oben in den Ästen sitzt unser Freund, der Buntspecht, und hackt sein Lied in das Holz.
Momentan ist es unter dem Walnussbaum allerdings nicht ganz so gemütlich und entspannend wie sonst, denn ich werde beworfen! Der Baum folgt dem Ruf des herannahenden Herbstes und lässt seine Früchte herabfallen. Seine vielen Früchte. Da! Schon wieder eine! Wer nicht ausprobieren möchte, wie sich so eine Walnuss auf dem Kopf anfühlt, sollte den Ort wechseln. Oder vielleicht einen Helm aufsetzen? Unentschlossen blicke ich nach oben und betrachte all die Walnüsse in ihren grünen Hüllen, die noch an den Ästen hängen. Für heute werde ich mir wohl ein anderes Plätzchen suchen.