Viele bunte Fakten

Wer mich ein bisschen besser kennt, der weiß, dass ich gern beim Urschleim oder gar in einem anderen Tümpel anfange, wenn ich eigentlich etwas ganz Simples erzählen will. Ich bin der Meinung, dass ich dadurch nicht nur einen tollen Spannungsbogen aufbaue sondern auch Wissen vermittle und erinnerungswürdige Geschichten konstruiere. (Vielleicht höre ich mich auch einfach nur gern reden.) Meine Zuhörer sehen das nicht immer so, fürchte ich. Aber bilde dir doch selber ein Urteil anhand der folgenden Erzählung:

Wusstet du, dass vor einigen Stunden am Nordpol der Sonnenaufgang begonnen hat? Genauer gesagt vor mehr als zwanzig Stunden. Und er dauert auch noch eine gute Weile an. Insgesamt wird die Sonnenscheibe 32 Stunden benötigen, um auch die letzte Rundung ihres wohlgeformten Popos über die Horizontlinie zu hieven. Zweiunddreißig Stunden! Ich glaube, so lange sieht auch der geduldigste Betrachter nicht zu. Und falls doch, so wird er sicherlich nicht darauf warten, dass die Sonne wieder untergeht. Das passiert nämlich erst in einem halben Jahr. Fast schon albern, dass wir dieses Phänomen Polartag nennen. Ganz schön lang, dieser „Tag“.

Am Südpol ist zu diesem Zeitpunkt die Sonne untergegangen und die rund 180 Tage dauernde Polarnacht hat begonnen. Finster ist es deswegen nicht gleich, denn die bürgerliche Dämmerung hat gerade erst eingesetzt. Dabei ist es meist noch so hell, dass man im Freien lesen kann. Ich schlage vor, du schnappst dir ein dickes Buch, denn dieses Restlicht hält 12 Tage an. Darauf folgt für 16 Tage die nautische Dämmerung. So genannt, da auf See die Horizontlinie noch erkennbar ist, während gleichzeitig hellere Sterne sichtbar werden. Dies ermöglicht die nautische Navigation mit einem Sextanten, bei der die Höhe bestimmter Sterne über dem Horizont gemessen wird. Schließlich folgt noch 19 Tage lang die astronomische Dämmerung, bevor auch der letzte Widerschein der Sonne in der Erdatmosphäre verblasst. Dann ist es dunkle Nacht, 80 Tage lang. Ich mag es mir gar nicht vorstellen!

Bloß gut, dass der Wechsel von Tag und Nacht an den Polen für die bewohnten Gebiete unseres Erdballs ein ganz anderes, nicht weniger bekanntes Phänomen mit sich bringt: Die Tagundnachtgleiche. Egal ob in Johannesburg, Novosibirsk, Rio de Janeiro, Montreal, Sydney oder Dresden – heute dauern sowohl Tag als auch Nacht 12 Stunden! Ja gut, wenn wir es ganz genau nehmen wollen, dann ist der Tag ein klitzewenig länger als die Nacht, da von dem Zeitpunkt ab gezählt wird, an dem der obere Rand der Sonnenscheibe den Horizont überquert, bis ebenjener Rand den Horizont wieder unterschreitet. Die „Dauer zweier Sonnenscheiben“ wird also dem Tag zugeschrieben. In Äquatornähe sind das etwa zwei Minuten pro Auf- und Untergang, in Mitteleuropa rund drei bis vier Minuten. Dieses pingelige Detail ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Sonne in der vergangenen Nacht, um 04:06 Uhr MEZ, auf dem Himmelsäquator befand und damit auf einem der beiden Äquinoktialpunkte (lateinisch: aequus = gleich und nox = Nacht). Somit beginnen astronomisch gesehen der Frühling beziehungsweise der Herbst.

In meinen Fall, da ich auf der Nordhalbkugel lebe, hat also endlich der Frühling angefangen! Wie herrlich! Die Tage werden peu à peu länger und hoffentlich etwas wärmer. An vielen Sträuchern und Bäumen zeigen sich zarte Blüten. Die Vögel zwitschern vergnügt und jagen sich durch die Büsche. Mir scheint die Sonne ins Gesicht und kitzelt in der Nase. Es ist wunderbar! Und dir, lieber Leser, sendet der Blumenkasten auf unserer Wiese diesen farbenfrohen Gruß:

Abbildung einer Narzissenblüte umgeben von grünen Blättern